Als Weltmarktführer in der Glasschmelz- und Konditionierungstechnologie kann SORG eine Glasschmelzanlage aus der Ferne und sofort optimieren. Doch das war nicht immer so, wie SORG-Abteilungsleiter Jürgen Grössler bestätigt.
40 Jahre lang hat er Lösungen mitentwickelt, die die Branche geprägt haben, nun geht Grössler in den Ruhestand. In diesem Interview spricht er über die Höhepunkte seiner Karriere und teilt seine Ansichten über die Vergangenheit und Zukunft der Glasindustrie mit.
1. Was hat Sie ursprünglich zur Glasindustrie und zu SORG gezogen?
Mir ging es vor allem darum, eine neue Branche kennenzulernen. Zunächst arbeitete ich im Bereich Maschinenbau. SORG bot mir eine hervorragende Gelegenheit, mein Ingenieurwissen in einem neuen Industriezweig einzusetzen, in einem kleinen Team mit großen Ambitionen.
2. Worauf sind Sie während Ihrer Zeit bei SORG am meisten stolz?
Ich bin sehr stolz auf meine Abteilung, die führend in der Glaskonditionierung ist.. Wir mussten in den letzten vier Jahrzehnten viele Umstrukturierungen durchführen und sahen, wie SORG zu einem weltweit führenden Unternehmen aufstieg.
3. Was war Ihr Lieblingsprojekt und warum?
Da ich an mehr als 2000 Aufträgen gearbeitet habe, gibt es kein einzelnes Projekt, das alle anderen in den Schatten stellt. Für mich waren besonders die Projekte mit rein elektrischer Beheizung interessant und anspruchsvoll.
4. Was war die größte Herausforderung, der Sie sich gestellt haben?
Zwei Herausforderungen fallen mir ein. Zum einen die Übernahme des gesamten Vorherdbereichs des ehemaligen US-Konkurrenten Emhart im Juli 2006. Wir mussten dessen technisches und kaufmännisches Wissen von Owensville, Missouri, nach Lohr am Main in Deutschland transferieren, was wir in einer Rekordzeit von nur ein paar Wochen geschafft haben. Außerdem hat unsere Abteilung sofort mit der Bearbeitung von Angeboten und Projekten begonnen. Seitdem haben wir mehr als 400 Vorherde basierend auf dem ehemaligen Emhart-Design verkauft.
Die zweite Herausforderung war, technisch immer auf dem neuesten Stand der gesamten Glaskonditionierung zu sein, insbesondere bei der Entwicklung des Vorherds 340S+.
5. Was war die größte Veränderung, die SORG während Ihrer Zeit durchgemacht hat?
Bis Mitte der 90er Jahre war eine Kontaktaufnahme nur per Festnetz, Telex (viele wissen wohl gar nicht mehr was das ist) und später per Telefax möglich. Heute sind Handys, E-Mails und fast tägliche Video-/Telefonkonferenzen völlig normal. Darüber hinaus wurden 1982 die meisten Entwürfe von Hand auf einem Zeichenbrett erstellt, Entwürfe über Computer und 3D-Modelle wurden erst viel später eingeführt.
6. Was werden Sie am meisten vermissen?
Wahrscheinlich der tägliche persönliche Kontakt zu meinen SORG-Kollegen, Kunden und Lieferanten. Und ich denke, ich werde das Reisen auch ein bisschen vermissen.
7. Erzählen Sie uns von Ihrer Lieblingserinnerung.
Es gibt viele schöne Erinnerungen, die oft mit Reisen in ferne Länder verbunden sind. Da ich in vielen verschiedenen Positionen gearbeitet habe, bin ich viel gereist – ungefähr 40 Tage pro Jahr. Am Ende war ich in über 50 Ländern. Auch auf meine Zeit als Trainer und Spieler im SORG-Fussballteam werde ich gerne zurückblicken.
8. Wie hat sich die Branche seit Ihrem Start vor 40 Jahren verändert?
Wir waren und mussten früher nicht 24/7 erreichbar sein und niemand erwartete noch am selben Tag eine Lösung seines Problems, weil es auch Spezialisten in den Werken gab. Elektronische Systeme, Steuerungen und Automatisierung haben auch die Menge an verfügbaren Daten pro Anlage stark vergrößert.
Hinzu kommt, dass heute viel Wert darauf gelegt wird, in der Glashütte weniger Energie und deutlich weniger Personal einzusetzen. Auch die Nachfrage nach Mitarbeitern mit mehr produktionsspezifischem Know-how ist gestiegen.
9. Was ist die größte Herausforderung für SORG und für die Branche in der Zukunft, und wie sind wir darauf vorbereitet, diese Herausforderung zu meistern?
Die Industrie muss ständig innovativ sein und in intelligente Automatisierung investieren. Wir müssen auch den Verbrauch fossiler Brennstoffe und Emissionen reduzieren. Darauf ist SORG bestens vorbereitet.
10. Was ist das größte Missverständnis, das Menschen über die Glasindustrie haben?
Einige Leute denken, dass Glas nur ein Material für Flaschen, Gläser oder Fenster ist, dabei ist es doch so viel mehr. Nicht umsonst hat die UNO das Jahr 2022 zum Internationalen Jahr des Glases ausgerufen. Vieles deutet darauf hin, dass Glas DER Werkstoff des 21. Jahrhunderts wird.
11. Was sind Ihre Hoffnungen für die Branche in den nächsten 40 Jahren?
Ich hoffe, dass sich die Glasindustrie genauso positiv entwickelt, wie ich es seit 1982 erleben, beobachten und gestalten durfte.
12. Was ist Ihr größter Erfolg in Ihren 40 Jahren bei SORG?
Eine motivierte, gut ausgebildete und erfahrene Fachabteilung übergeben zu können.
13. Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken und wissen, was Sie jetzt wissen, gibt es etwas, das Sie anders machen würden?
Vielleicht hätte ich in manchen Dingen entspannter und weniger emotional sein sollen.. Es wäre auch hilfreich gewesen, neben Deutsch und Englisch noch eine weitere Sprache zu sprechen.
14. Was raten Sie Berufseinsteigern in der Glasindustrie und bei SORG?
Seien Sie immer realistisch und optimistisch. Erarbeiten Sie Lösungen im Team. Und halten Sie bei Problemen einen Plan B und eventuell einen Plan C bereit.
15. Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand?
Die Dinge nicht so schwer nehmen. Wahrscheinlich in einige Städte reisen, von denen ich bisher nur die Flughäfen kenne. Und meinem Enkel richtigen Fußball beibringen.